4.
Zum Wolfe schlich das schwarze Tier
Mit tiefgebeugtem Nacken.
Komm her, Herr Wolf! Ich warte hier.
Du darfst mich ruhig packen.
Beende meinen Lebenslauf,
Und friß mich bitte auf!
5.
Der Wolf begann, sich auf der Stell
Die Lippen abzuschlecken.
Jedoch das Fell, das schwarze Fell,
Erfüllt den Wolf mit Schrecken.
Er
steht. Er lugt. Ein Sprung. Ein Blick.
Der Wolf flieht in den Wald zurück.

6.
Neun Schafe rings am Wiesenrand
Bestaunen ihren Bruder.
Neun Schafe suchen unverwandt
Den Wolf, das böse Luder.
Jedoch der Wolf erscheint nicht mehr.
Neun weiße Schafe staunen sehr.

7.
Zwei Tage galt das schwarze Schaf
Als Held für seine Brüder.
Es freute sich und kaute brav
Das Gras der Wiese wieder.
Doch als der dritte Tag begann,
Da fing das Spotten wieder an.
8.Vergessen
war der Wolf im Wald,
Vergessen die Gefahren.
Man lacht, man schreit, es klingt, es schallt:
Du Biest mit schwarzen Haaren!
Das schwarze Schaf kaut grünes Gras.
und denkt sich traurig dies und das.

Das
Schaf und der Wolf
Nachdem es ungefähr sich traf,
Dass hier ein Wolf, und dort ein Schaf
Bei einem Bach zusammen kommen,
Und beide Seiten eingenommen:
So sprach das Schaf, was tu ich hier,
Dass du mit frecher Mordbegier
Mir stets nach meinem Leben trachtest,
Und mich so unbarmherzig schlachtest,
Wenn es mein Unfall mit sich bringt,
Dass dir dein Strassenraub gelingt?

Mit
nichten! liess der Wolf sich hören,
Du irrst dich sehr, mein guter Freund,
Denn, tracht ich gleich, dich zu verzehren;
Ists doch so böse nicht gemeint.
Aus keinem Hass entstehn die Triebe,
In meiner dir geneigten Brust;
Dein süsses Fleisch erweckt mir Lust,
Ich fress dich nur aus lauter Liebe.
So
macht es mancher falsche Freund,
Er schwätzt von nichts, als lauter Liebe,

Gibt aber dann die schärfsten Hiebe,
Wenn er am allerfrömmsten scheint.
Doch wenn die Bosheit klar erhellet,
Und man ihn drum zur Rede stellet:
Ist er wohl noch so frech zu sagen:
Es ist zwar übel ausgeschlagen:
Doch war es gut von mir gemeint.
Daniel Wilhelm Triller (1695-1782)

Eine kurze Geschichte:
Es war einmal ein Schäfer, der in einer einsamen Gegend
seine Schafe hütete. Plötzlich tauchte in einer großen
Staubwolke ein nagelneuer Cherokee Jeep auf und hielt direkt neben ihm.
Der Fahrer des Jeeps, ein junger Mann in Brioni Anzug, Cerutti Schuhen,
Ray Ban Sonnenbrille und einer YSL Krawatte steigt aus und fragt ihn:
"Wenn ich errate, wie viele Schafe sie haben, bekomme ich dann
eins?"
Der Schäfer schaut den jungen Mann an, dann seine friedlich
grasenden Schafe, und sagt ruhig "In Ordnung".

Der junge Mann parkt den Jeep, verbindet sein Notebook mit dem Handy,
geht im Internet auf die NASA-Seite, scannt die Gegend mit Hilfe seines
GPS Satellitennavigationssystems, öffnet eine Datenbank und 60
Excel Tabellen mit einer Unmenge Formeln.
Schließlich druckt er einen 150 seitigen Bericht auf seinem Hi-Tech-Minidrucker,
dreht sich um und sagt: "Sie haben hier exakt 1586 Schafe."
Der Schäfer sagt: "Das ist richtig, suchen Sie sich ein Schaf
aus."


Der junge Mann nimmt ein
Schaf und lädt es in den Jeep ein.
Der Schäfer schaut ihm zu und sagt: "Wenn ich Ihren Beruf
errate, geben Sie mir das Schaf dann zurück?"
Der junge Mann antwortet: "Klar, warum nicht."
Der Schäfer sagt: "Sie sind Unternehmensberater."
"Das ist richtig, woher wissen Sie das?" will der junge Mann
wissen.
"Sehr einfach," sagt der Schäfer, "erstens kommen
Sie hierher, obwohl sie niemand gerufen hat. Zweitens wollen Sie ein
Schaf als Bezahlung haben dafür, dass Sie mir etwas sagen, was
ich ohnehin schon weiß, und drittens haben Sie keine Ahnung von
dem, was ich hier mache, denn Sie haben sich meinen Hund ausgesucht!"

Eine Geschichte von A. de Mello:
Ein Schäfer weidete seine Schafe,
als ihn ein Spaziergänger ansprach.
"Sie haben aber eine
sehr schöne Schafherde. Darf ich Sie etwas in Bezug auf die Schafe
fragen?“
„Natürlich“, antwortete der Schäfer.
„Wie weit laufen Ihre Schafe ungefähr am Tag?“ erkundigte
sich der Spaziergänger.
„Welche, die weißen
oder die schwarzen?“
„Die weißen.“
„Nun, die weißen laufen ungefähr 6 km täglich“
„Und die schwarzen?“
„Die schwarzen genausoviel.“
„Und wieviel Gras
fressen sie täglich?“
„Welche, die weißen oder die schwarzen?“
„Die weißen.“
Die weißen fressen ungefähr vier Pfund Gras täglich“
„Und die schwarzen?“
„Die schwarzen auch.“

„Und wieviel Wolle geben die Schafe ungefähr jedes Jahr?“
„Welche, die weißen oder die schwarzen?“
„Die weißen.“
„Nun ja, ich würde sagen, die weißen geben jedes Jahr
ungefähr fünf Pfund Wolle zur Schurzeit.“
„Und die schwarzen?“
„Die schwarzen genausoviel.“

Der Spaziergänger
war erstaunt. „Darf ich Sie fragen, warum Sie die eigenartige
Gewohnheit haben, ihre Schafe bei jeder Frage in schwarze und weiße
aufzuteilen?“
„Das ist doch ganz natürlich“, antwortete der Schäfer,
„die weißen gehören mir, müssen Sie wissen.“
„Ach so! Und die schwarzen?“
„Die schwarzen auch“, sagte der Schäfer.

